Der Kampf
um Namen
Benennung
und Umbenennung von Straßen in Deutschland
Autor:
Peter Leusch
Gesprächspartner:
Der Kölner Sprachwissenschaftler Dietz Bering
Autor:
Straßen und
Plätzen erhalten oft Namen von Herrschern, Heiligen und Revolutionären, von Philosophen,
Dichtern und Erfindern – bedeutende Persönlichkeiten, die ein Gemeinwesen auf
immer und ewig im kollektiven Gedächtnis behalten will. Und doch ist das Ganze
historisch gesehen ein recht junges Phänomen. Noch im Mittelalter diktierten
der Alltag und seine Praxis die Namen. Da gab es den so genannten Krummen
Büchel. Denn die gebogene Gasse besaß einen Buckel, über den man gegebenenfalls
den Karren ziehen musste.
Erst die
Französische Revolution entdeckte und kultivierte im großen Stil die Möglichkeit,
Straßen ideologisch zu benennen. Man wählte solche Personen, Institutionen und
Ereignisse aus, die geeignet waren, das herrschende politische
Selbstverständnis zu bekräftigen.
Der Kölner
Sprachwissenschaftler Dietz Bering hat in einer Reihe von Studien das
Verhältnis von Sprache und Politik untersucht, insbesondere was den Umgang mit
Namen angeht. Ein herausragendes Beispiel entnimmt er der Stadtgeschichte
Kölns.
O-Ton,
Dietz Bering:
die Stadt
Köln sprengte 1880 ihre in Europa einmalig grandiose alte Stadtmauer, und es
kam mit einem einzigen Streich ein Stadtareal hinter dieser Stadtmauer hinzu,
das genauso groß war wie die Stadt selbst. Man musste in einem einzigen Schlage
genauso viele Namen festlegen, wie die achthundertjährige Stadtgeschichte bis dahin
festgelegt hatte. Besonders wichtig war die Benennung der Ringe, der großen
Ringstraße. Und da ist man auf die Idee verfallen, dass man doch diese
Ringstrasse zu einer großen Lehrgeschichtsstunde umarbeiten könnte, indem
nämlich der Gang der deutschen Geschichte dort gezeigt werde, angefangen von
den Ubiern am Ubierring, über den Chlodwigplatz und so die Herrschergeschichte
über die Hohenzollern, die Sachsen und endend dann natürlich bei den
preußischen Königen.
Autor:
Der letzte
Abschnitt der Kölner Ringstraße wurde damals Deutscher Ring getauft. So erhielt
der Nationalstaat, den Bismarck ein knappes Jahrzehnt zuvor geschaffen hatte,
in Köln ein große urbane Symbolik. Die Abfolge der Namen suggeriert jedoch, die
deutsche Geschichte hätte einen eindeutigen Verlauf genommen und wäre genauso
notwendig und endgültig in jenes Ziel
Deutsches Reich gemündet, wie die Ringstraße ihren Halbkreis am Rhein
beschließt. All das jedoch, was in der komplexen deutschen Geschichte nicht
dieser einfachen Bahn folgte, was querlief und in andere Richtungen wies, wurde
bei der Namensvergabe übergangen und ausgeblendet. Luther und die Reformation
erhielten buchstäblich keinen Platz, ebenso wenig tauchten Frauennamen auf.
Straßenbenennungen – das wird deutlich - spiegeln politische und soziale
Herrschaftsverhältnisse, ändern sich diese, stehen auch die Namen zur
Diskussion. Dietz Bering:
O-Ton,
Dietz Bering:
Es ist nun
sehr interessant, die Geschichte der Kölner Ringe in diesem Fall weiter zu
analysieren, weil an einer Stelle dieses Rings, nämlich an seinem Ende im
Norden, es einen dauernden Kampf um die Benennung gegeben hat, am heutigen
Friedrich-Ebert-Platz, das gehörte damals alles zum Deutschen Ring, aber am
Endstück dieser deutschen Geschichte ist also immer wieder uminterpretiert
worden, es gab dort den Adolf-Hitler-Platz, dann hieß es wieder Deutscher Platz
- kurzum: jedes Regime, das das Heft in die Hand bekommt, hat die Tendenz sich
gerade über die jüngste deutsche Geschichte, die von ihm überwunden worden ist,
herzumachen und sie anders zu deuten und festschreiben.
Autor:
Gegenwärtig
konzentriert sich die politische Namensdebatte auf das Erbe der DDR. Will man
die Eigenheiten ihrer Geschichte in die neue Bundesrepublik hineinnehmen oder
will man sie auslöschen. Die Karl-Marx-Allee, der imposante Boulevard der DDR
östlich des Alexanderplatzes, wird ihren Namen behalten. Anders entschied man
im Fall der Clara-Zetkin-Straße, die ihn Dorotheenstraße umbenannt wurde. Clara
Zetkin war einerseits eine bedeutende Gestalt der Frauenbewegung, und als
letzte Reichstagspräsidentin auch im Widerstand gegen Hitler anerkennenswert,
andrerseits verkörperte sie einen moskauhörigen Kommunismus und war darin kein
demokratisches Vorbild.
O-Ton,
Dietz Bering:
Es könnte
sein, dass diese Frau wichtig ist, was aber auf keinen Fall geht, ist, dass
diese Straße – und es war diese Straße, die genau auf den Reichstag zuläuft,
diesen Namen bekommt. Auf den Reichstag zulaufen, dürfen nur Straßen mit einem
Symbolwert, der wirklich von allen heute gestützt werden kann. Diese Person,
Clara Zetkin, ist eine wichtige Person, und wahrlich nicht alles verdammenswert
an ihr, irgendwo kann sie durchaus im Namenareal vorkommen, hier aber können
nur Symbolstände installiert werden, deren Gewicht bedeutsam und deren Wert
vollkommen und über Jahrzehnte hin geprüft ist.